Alltagsdroge Alkohol: Genuss, Geschichte und Gefahr
Simon (33) sieht seinen Alkoholgenuss als persönliche Belohnung: «Am Freitagabend und manchmal auch unter der Woche gönne ich mir nach getaner Arbeit gerne ein paar Bier.» Für Irina (25) steht beim Trinken der soziale Aspekt im Vordergrund: «Mit Freund*innen zusammenzusitzen und zu feiern, das entspannt und macht einfach Spass.» Alkohol hat viele Funktionen, die individuell und gesellschaftlich als positiv wahrgenommen werden:
- Alkohol wirkt entspannend und wird zur Stressreduktion genutzt.
- Alkohol wirkt enthemmend und erleichtert die soziale Interaktion.
- Alkohol fördert das gesellige Beisammensein und das Gemeinschaftsgefühl.
- Alkohol gilt als Genussmittel, das kulinarische Momente bereichert.
- Alkohol unterstreicht bei besonderen Anlässen die Feierlichkeit.
Das klingt alles harmlos – ganz nach dem berühmten «Gläschen in Ehren», das wahrlich «niemand verwehren» kann. Entsprechend sind alkoholische Getränke wie Bier, Wein und Schnaps in (fast) jedem Supermarkt erhältlich. Zusätzlich herrscht (fast) überall im Ausgang ein überwältigendes Angebot an Cocktails, Shots, Longdrinks, Likören, Aperitifs, Bowlen und allerlei trendigen Mischgetränken.
«Alkohol ist in der schweizerischen Kultur verankert: Rund 85 Prozent der Bevölkerung ab 15 Jahren trinken mehr oder weniger häufig Alkohol. Doch Alkohol ist kein gewöhnliches Konsumgut, sondern eine psychoaktive Substanz, die viele Schäden verursachen kann.» (Sucht Schweiz: Im Fokus – Alkohol (PDF))
Der Verkauf und öffentliche Konsum alkoholischer Getränke ist zwar stark reguliert und kontrolliert, doch ihr Genuss hat eine lange Tradition, die bis in die Antike zurückreicht.
Bier wird schon seit mehr als 10’000 Jahren gebraut, vermutlich seit der Mensch begonnen hat, Getreide anzubauen. In der Antike, etwa im Alten Ägypten, galten Brot und Bier als Grundnahrungsmittel. Auch die Kelt*innen kannten bereits verschiedene Biersorten.
Im Mittelalter war Bier in vielen Gegenden Europas das wichtigste Getränk. Nicht nur, weil das «flüssige Brot» nahrhaft und vitaminreich war, sondern auch aus gesundheitshygienischen Gründen: In vielen Städten war das Trinkwasser stark verunreinigt. Bier galt dagegen als sicher, da es beim Brauen erhitzt und dadurch keimfrei wurde. Das sogenannte Dünn- oder Leichtbier, ein Getreidesud mit rund 2 % Alkohol, wurde täglich getrunken, auch von Kindern. In Süd- und Mitteleuropa griff man aus denselben Gründen zu Wein: Auch dieser galt als gesünder, weil «reiner» und deutlich haltbarer als Wasser.
In der Entwicklung der Wein- und Bierkultur spielte die Kirche eine zentrale Rolle. Zum einen hat Wein im Christentum eine religiöse Bedeutung: In katholischen Messen wird er bis heute als Symbol von Jesu Blut verwendet. Zum anderen entwickelte sich das Brauen zu einem wichtigen Bestandteil klösterlicher Handwerkstradition. Die Herstellung von Bier war jedoch keineswegs nur «Männersache», im Gegenteil: In der Antike waren hauptsächlich Frauen fürs Brauen zuständig, und auch im Mittelalter wurden noch viele Brauereien von Frauen betrieben.
In der islamischen Welt sind berauschende Substanzen grundsätzlich verboten. Dieses Verbot wurde und wird teilweise jedoch recht pragmatisch ausgelegt. In Ländern wie Marokko, dem Libanon und der Türkei wird Wein produziert und konsumiert. In muslimisch geprägten europäischen Staaten wie Bosnien-Herzegowina und Albanien gilt Rakija bzw. Raki, ein aus Zwetschgen oder anderen Früchten destillierter Obstbrand, sogar als Nationalgetränk.
Beim Trinken von Alkohol gelangt dieser schnell über die Schleimhäute ins Blut und Gehirn. Dort dämpft er die Aktivität des Nervensystems, was nicht nur das Seh- und Hörvermögen vermindert, sondern auch dazu führt, dass wir uns entspannter, enthemmter und irgendwie «leichter» fühlen. Gleichzeitig regt Alkohol die Ausschüttung von Dopamin an. Das erzeugt kurzfristig Glücksgefühle und motiviert zum Weitertrinken. Durch noch mehr Alkohol im Blut verlangsamt sich die Reizübertragung zwischen den Nervenzellen zusätzlich. Der Rededrang steigt, das Reaktionsvermögen und die Koordinationsfähigkeit nehmen weiter ab. Die trinkende Person nimmt dies selbst oft nicht so klar wahr, denn Alkohol beeinflusst auch die Selbsteinschätzung. Ab 2 Promille Alkoholgehalt im Blut ist das Reaktionsvermögen kaum noch vorhanden; die Folgen sind Muskelerschlaffung, komplette Verwirrtheit und Erbrechen. Ab 4 Promille kann der gesamte Kreislauf erlahmen – bis hin zum Atemstillstand und Tod.
Die Leber baut den Alkohol nach und nach ab und «reinigt» so das Blut. Dabei entsteht ein giftiges Zwischenprodukt (Acetaldehyd), das Zellen schädigen kann. Langfristig belastet der Konsum von Alkohol die Leber, das Herz und die Durchblutung. Die Nervenzellen im Gehirn werden beschädigt, was zu Gedächtnisproblemen und Konzentrationsschwächen führen kann. Zudem ist es nur ein kleiner Schritt vom regelmässigen Genuss zur lebensbestimmenden Sucht.
Kurzfristige Wirkungen
- Entspannung, Enthemmung und gesteigertes Selbstvertrauen
- Beeinträchtigung von Reaktionsvermögen, Gleichgewicht und Konzentration
- Dopaminausschüttung – erzeugt Glücksgefühle und motiviert zum Weitertrinken
Langfristige Wirkungen und Risiken
- Schädigung der Leber durch dauerhafte Überlastung beim Alkoholabbau
- Erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Veränderungen im Gehirn
- Gefahr von Verletzungen, Unfällen und Abhängigkeit
Schwangere sollten ganz auf Alkohol verzichten. Denn jeder Tropfen Alkohol gelangt über die Plazenta direkt in den Blutkreislauf des ungeborenen Kindes und wirkt dort deutlich länger als bei der Mutter. Alkohol stört die Entwicklung des Gehirns, der Organe und der Nerven so nachhaltig, dass das Kind lebenslange körperliche und geistige Schäden davontragen kann.
Jeder Rausch hat seinen Preis. Nach einem feucht-fröhlichen Abend bezahlt man diesen nicht selten am Tag danach mit einem dröhnenden Schädel und übler Übelkeit. Auch unstillbarer Durst ist ein untrügliches Zeichen eines Hangovers respektive Alkoholkaters. Manche schwören sich nach so einem Erwachen, nie wieder zu viel zu trinken. Andere tun es immer wieder und riskieren damit, in eine körperliche und psychische Abhängigkeit zu geraten.
Sucht Schweiz unterscheidet folgendermassen zwischen risikoarmem, problematischem und abhängigem Konsum:
- Risikoarm: massvolles, an die jeweilige Situation angepasstes Trinken
- Problematisch: mehr als zwei bis drei Standardgläser pro Tag (ein Standardglas = 3 dl Bier, 1 dl Wein, 2 cl Schnaps, entspricht jeweils 10–12 g reinem Alkohol)
- Abhängig: Alkoholismus zeigt sich in der Entwicklung erhöhter Toleranz und in Schwierigkeiten, den Konsum trotz schädlicher Folgen zu kontrollieren
Bei Alkoholsüchtigen nimmt der Konsum immer mehr Raum ein. Ob bei Feiern oder im Alltag, ob bei Stress oder Langeweile: Bald endet jede Situation mit einem Glas (zwei, drei, vier …). Es finden kaum noch Treffen ohne Alkohol statt; der Konsum wird dabei von der trinkenden Person ständig gerechtfertigt. Wenn Sie sich selbst, Angehörige oder Freund*innen in dieser Beschreibung wiedererkennen, sollten Sie sich Rat und Hilfe holen.
Ein Schwips oder Rausch kann eine willkommene Abwechslung zum Alltag bieten. Alkoholische Getränke sind aber mit Vorsicht zu geniessen, denn so akzeptiert der (Über-)Konsum gesellschaftlich auch ist, so riskant ist er für die Gesundheit. Interessanterweise konsumieren Jugendliche in Europa heute weniger Alkohol, und auch alkoholfreie Getränke sowie selbstauferlegte Pausen wie der «Dry January» werden immer beliebter. Erfahren Sie in unseren nächsten Beiträgen, was hinter diesen Entwicklungen steckt und wie ein Leben ohne Alkohol aussehen kann.
Wir sind für Sie da
Telefon / E-Mail
Kontaktieren Sie uns und wir helfen Ihnen gerne weiter. Schnell und unkompliziert.
Persönliche Beratung
Vereinbaren Sie einen unverbindlichen und kostenlosen Beratungstermin.