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Ein Monat ohne Alkohol: Was bringt der kurze Verzicht?

Der Konsum alkoholischer Getränke ist seit der Antike fest in unserer Kultur verankert. Im Mittelalter galten leichtes Bier und verdünnter Wein als Grundnahrungsmittel – auch für Kinder. Heute ist Alkohol ein Genussmittel, dessen Verkauf und Konsum klar reguliert ist – denn das Suchtpotenzial ist hoch. Um dem drohenden Alkoholismus gerade auch bei Jugendlichen entgegenzuwirken, sind Kampagnen wie «Dry January» und «Sober October» entstanden. Was steckt dahinter? Was bringt der kurzfristige Verzicht auf Alkohol? Und handelt es sich dabei um einen vorübergehenden Trend oder um den Beginn einer neuen Abstinenzkultur?

Als die Dampfmaschinen zu rattern begannen, veränderte sich vieles – auch der Alkoholkonsum. Mit der Industrialisierung stieg das Lebenstempo rapide an, die Bevölkerung nahm zu, die Städte verdichteten sich, und viele Handwerksberufe verschwanden zugunsten der Produktion am Fliessband. Die Arbeit in den Fabriken war beschwerlich, Freizeit rar und Armut weit verbreitet. Billiger Alkohol, oftmals illegal gebrannt, wurde für viele zur Flucht aus dem harten Alltag.  

 

Der steigende Alkoholkonsum führte besonders in der Arbeiterklasse zu Problemen, etwa zu zunehmender häuslicher Gewalt. Um diesen schädlichen Folgen entgegenzuwirken, kam es bereits im 19. Jahrhundert zu ersten Abstinenzbewegungen und gesetzlichen Einschränkungen. Im 20. Jahrhundert regulierten viele europäische Länder den Verkauf und Konsum von Alkohol stärker. Das Geschäft mit Alkohol blieb bedeutend – bis heute, und die Berauschung wird an öffentlichen und privaten Anlässen weiterhin ausgiebig zelebriert.  

Der neue Trend zur «Trockenheit»

Seit einigen Jahren gewinnen Bewegungen wie «Dry January» und «Sober October» an Bedeutung. Die Idee, nach den feucht-fröhlichen Festtagen im Dezember einen Monat lang auf Alkohol zu verzichten, wurde 2013 von einer britischen Gesundheitsorganisation ausgerufen. Ziel der Kampagne war es, das Bewusstsein für den eigenen Alkoholkonsum zu schärfen und gesündere Gewohnheiten zu fördern. Heute ist «Dry January» eine internationale Bewegung, bei der Schätzungen zufolge jährlich mehrere Millionen Menschen mitmachen.  

 

Bereits 2010 gab es in Australien eine ähnliche Initiative. Damals lancierte ein kleines Gesundheitsbüro die Kampagne «Ocsober» («sober» = nüchtern), um auf die Risiken von Alkoholmissbrauch hinzuweisen und Spenden für die Prävention bei Jugendlichen zu sammeln. 2014 wurde die Idee in Grossbritannien aufgegriffen: Eine Wohltätigkeitsorganisation rief zum «Sober October» auf, bei dem Teilnehmende sich verpflichteten, im Oktober auf Alkohol zu verzichten und das dadurch eingesparte Geld an die Krebsforschung zu spenden.  

 

In den folgenden Jahren gewann die Idee der «trockenen» Monate weltweit an Popularität – nicht zuletzt dank Prominenten, die in den Sozialen Medien über ihre nüchterne Auszeit berichten und damit unzählige Follower inspirieren und motivieren.  

Was bringt ein Monat ohne Alkohol?

Zuerst einmal schärft bereits das Vorhaben, vier Wochen lang nichts zu trinken, das Bewusstsein für einen verantwortungsvollen Umgang mit dieser psychoaktiven Substanz. Welche weiteren Effekte der Verzicht bringt, hängt davon ab, wie viel vorher konsumiert wurde. Viele Menschen berichten jedoch schon nach wenigen Tagen ohne Alkohol von besserem Schlaf, mehr Energie und einer insgesamt gehobeneren Stimmung. Im Folgenden eine Übersicht über einige der positiven Auswirkungen, die Sie im Lauf eines Monats ohne Alkohol erleben können:

 

Körperliche Auswirkungen

  • Ruhigerer und tieferer Schlaf
  • Besserer Stoffwechsel dank entlasteter Leber
  • Gewichtsverlust durch geringere Kalorienaufnahme  

Psychisch-mentale Auswirkungen

  • Klarerer Kopf und bessere Konzentration
  • Ausgeglichenheit und emotionale Stabilität  
  • Allgemein besseres Wohlbefinden  

Weitere Auswirkungen

  • Weniger Ausgaben für Alkohol
  • Mehr Energie für Hobbys, Familie, Sport etc.
  • Allgemein bewussteres Konsumverhalten 
Mehr Klarheit, Kontrolle und Kraft

Interessant ist auch, was am Ende des nüchternen Monats passiert. Zunächst ist da oftmals die grosse Vorfreude auf das erste Glas. Gewiss nehmen Sie den Geschmack bewusster wahr, und vermutlich spüren Sie auch die Wirkung stärker, denn schon nach einem Monat sinkt die körperliche Toleranz, also die Gewöhnung des Körpers an Alkohol. Möglicherweise empfinden Sie den Rausch aber nun als weniger «berauschend» als zuvor und nehmen deutlicher die Gefahr wahr, die im Alkohol steckt – sein toxisches, zerstörerisches Potenzial. Alkohol kann zweifellos eine faszinierende Droge sein und sogar Medizin, aber nur in sehr wohldosiertem Mass.

 

Emotional und mental kann der Verzicht zu einem Gewinn an Klarheit und Selbstvertrauen führen: «Dass ich den Dry January durchgezogen habe, gab mir das Gefühl, mich selbst und mein Leben im Griff zu haben», berichtet Caroline (27). Oft hat der Bruch mit der Gewohnheit auch langfristige Auswirkungen. Noah (32) sagt, dass sein Alkoholkonsum seit dem ersten «Sober October» bewusster geworden sei. Seitdem bleibe er jeden Oktober alkoholfrei und trinke generell weniger: «Ich weiss jetzt, dass es auch ohne geht – und es geht ja nicht schlechter, ganz im Gegenteil.» (Quellen: Alcohol Change UK, Harvard Health Publishing

Gehen wir in Richtung einer Abstinenzkultur?

Alkohol ist in unserer Gesellschaft so leicht verfügbar, dass es fast schwieriger ist, ihn zu meiden als mitzutrinken. Vielleicht trägt dieses Überangebot dazu bei, dass Verzichtbewegungen populärer werden – Hand in Hand mit einem zunehmenden Bewusstsein für Achtsamkeit. Ist dies bloss ein Nischenphänomen oder der Beginn eines umfassenderen gesellschaftlichen Wandels?  

 

Das sagen die aktuellen Fakten und Zahlen:  

  • Die Zahl der Personen, die täglich Alkohol konsumieren, ist deutlich zurückgegangen.
  • Die Zahl abstinenter Personen hat bei den Männer zugenommen (1992: 9,3 %, 2022: 13,3 %), bei den Frauen leicht abgenommen (1992: 22,2 %, 2022: 20,6 %).
  • Jugendliche unter 15 Jahren konsumieren weniger Alkohol. Bei jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren ist der Alkoholkonsum jedoch hoch: Jede zehnte junge Frau betrinkt sich mindestens einmal im Monat (2007: 6 %, 2022: 11 %), auch bei jungen Männern hat das Rauschtrinken zugenommen (2007: 16 %, 2022: 19 %)
    (Quellen: BAG/BfS, SRF News

 

Zugleich gibt es beim Verkauf und Konsum von Alkohol folgende Tendenzen:

  • Der Konsum von Wein nimmt in der Schweiz deutlich ab (minus 8 % von 2023 zu 2024).
  • Der Anteil von alkoholfreiem Bier am Gesamtmarkt nimmt zu (2010: 2,3 %, 2024: 7,1 %).
  • Alkoholfreie Cocktails werden beliebter (bis zu 40 % Anteil am Konsum). 
    (Quellen: BLW, Schweizer Brauerei-Verband, SRF News
Nachhaltige Tendenz zu «Mindful drinking»

Insgesamt nimmt der Alkoholkonsum in der Schweiz jedes Jahr leicht ab. Er liegt derzeit unter 8 Liter Reinalkohol pro Person – um das Jahr 1900 betrug er noch 17 Liter (Quelle: SpiritSuisse). Ein eindrücklicher Rückgang! Von einer Abstinenzkultur sind wir trotzdem noch weit entfernt. Zurzeit lässt sich lediglich eine Tendenz zu «Mindful drinking» feststellen, also zu einem achtsamen Alkoholkonsum. Was würde es bedeuten, ganz auf die toxische Substanz zu verzichten? Und wie sieht Genuss ohne Rausch aus? Mehr dazu im nächsten Beitrag. 

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